Bei der Beachtung der sich schnell verändernden Beschränkungen der Bundes- und Landesregierung zur Vermeidung der weiteren Ausbreitung der COVID-19-Pandemie dürfen auch die allgemeinen Vorschriften zur Wohnungseigentümerversammlung nicht außer Acht gelassen werden. Es stellen sich Fragen wie: „Sind WEG-Versammlungen private Veranstaltungen?“ oder „Wie viele Personen dürfen teilnehmen?“ oder „Welche Auswirkungen hat der Teil-Lockdown?“. Die Fragen lassen sich nicht eindeutig beantworten. Wir versuchen dies im folgenden Beitrag dennoch. 

Die Eigentümerversammlung ist unseres Erachtens keine private Veranstaltung. Die wesentlich besseren Argumente und auch die Auslegungshilfe des Landes Baden-Württemberg zu dessen Infektionsschutzverordnung, sprechen dafür, dass die Wohnungseigentümerversammlung keine private Veranstaltung ist. Zweck der Versammlung ist die Verwaltung und Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen Eigentums. Zweck ist nicht das Pflegen von Freundschaften oder Begehen besonderer persönlicher Ereignisse. Mit der Beschränkung der privaten Veranstaltungen soll verhindert werden, dass durch die persönliche Nähe auch eine räumliche Nähe entsteht und damit Infektionen passieren können. Das bedeutet, dass zumindest nach dem aktuellen Erkenntnisstand in allen Bundesländern und fast allen Landkreisen Eigentümerversammlungen durchgeführt werden dürfen.

Die Frage, wieviel Personen teilnehmen dürfen, ist noch schwieriger zu beantworten. In den jeweiligen Infektionsschutzverordnungen der Bundesländer sind Höchstgrenzen für Veranstaltungen in Räumen geregelt. In Baden-Württemberg dürfen sich noch bis zu 100 Personen in Räumen bei Veranstaltungen treffen, in Berlin 50 und in Bayern keine. Das ist der Stand vom 2. November 2020. In den Bundesländern gelten daher wiederum unterschiedliche Regelungen zur Durchführung von Veranstaltungen. Das bedeutet, dass in einigen Bundesländern für kleinere Gemeinschaften Eigentümerversammlungen noch erlaubt sind.

Die Verwalter dürfen dann aber keine geringere Zahl vorschreiben, wenn die Anzahl der Eigentümer diese Höchstgrenzen unterschreitet. Das Amtsgericht Kassel hatte nun einen ersten Fall zur Frage der Teilnehmerzahl zu entscheiden. Dort hatte der Verwalter die Teilnehmerzahl der Versammlung auf 10 Personen begrenzt. Die Eigentümer wurden gebeten, dem Verwaltungsbeitrat oder dem Verwalter entsprechende Vollmachten zu erteilen. Der Verwalter behielt sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, wenn die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird oder keine andere Regelung getroffen werden kann. Das Amtsgericht Kassel hielt die auf der Versammlung getroffenen Beschlüsse für nichtig. Es liegt ein unzulässiger Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums vor, weil den Eigentümern unentziehbare Mitwirkungsrechte ganz oder teilweise entzogen wurden. Die Teilnahmerechte und Stimmrechte von Wohnungseigentümern dürfen nur in extremen Ausnahmefällen beschränkt werden. Ein solcher Ausnahmefall lag – trotz Pandemie – nicht vor. Die Versammlung war nach den zum Zeitpunkt der Einladung zu Versammlung geltenden Vorschriften nicht verboten. Nach der einschlägigen Verordnung des Landes Hessen vom 7. Mai 2020 waren Zusammenkünfte von bis zu 250 Personen bei öffentlichen Veranstaltungen zulässig, wenn geeignete Schutzmaßnahmen vorhanden sind (AG Kassel, Urteil vom 27.8.2020 – 800 C 2563/20)

Hinweis:

Prüfen Sie immer die aktuelle Infektionsschutzverordnung in den Bundesländern!

Prüfen Sie die Möglichkeiten, die Versammlung zu verschieben!

Prüfen Sie die Möglichkeiten eines Umlaufbeschlusses!

Prüfen Sie die Möglichkeit einer Hybrid-Veranstaltung! Einige Verwalter sind auch bereits dazu übergegangen so genannte Hybrid-Veranstaltungen durchzuführen, bei der Teilnehmer digital an einer Präsenzveranstaltung zugeschaltet werden. Ab dem 1.12.2020 mit Inkrafttreten der WEG-Reform findet sich dafür dann auch eine Grundlage im Gesetz.

Wenn die Eigentümerversammlung nach der Infektionsschutzverordnung nicht verboten ist und nicht aufgeschoben werden kann, gilt: Für die Durchführung von Eigentümerversammlungen ist dann zu beachten, dass selbstverständlich Hygienekonzepte für die präsenten Teilnehmenden vorhanden sein müssen. Die Abstände müssen gewahrt werden; für eine ausreichende Belüftung ist zu sorgen; Masken sollten auf den Verkehrswegen getragen werden; die Möglichkeit zum Händewaschen sollte vorhanden sein. Diese kurzen Anmerkungen sind nur Anhaltspunkte für ein Hygienekonzept.

GROSS Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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